Besuchsverbote, Abstandsgebote, Schutzmaßnahmen und dass die für sie so wichtigen Tagespflege-Einrichtungen schließen mussten, all‘ das war und ist eine große Belastung für dementiell veränderte Menschen und ihre Angehörigen.
Nun gibt es Licht am Ende des Tunnels, Tagespflege-Einrichtungen dürfen in Kürze unter besonderen Auflagen wieder öffnen. Und die Besuchsverbote in Krankenhäusern werden zunehmend gelockert. Während des kompletten „Lockdown“ war die Situation für viele alte Menschen und pflegende Angehörige jedoch äußerst schwierig.
Peter Behmenburg, Vorstand der Mülheimer Alzheimergesellschaft und Sozialarbeiter bei Pflege Behmenburg, hat zahlreiche Telefongespräche mit verzweifelten pflegenden Angehörigen geführt.
„Den dementiell veränderten Menschen fehlt ihre gewohnte, so wichtige Tagesstruktur, die plötzlich weggebrochen ist“, sagt Peter Behmenburg. Menschen mit fortgeschrittenen Demenzerkrankungen können nicht verstehen, warum sie viele Wochen lang nicht mehr in die Tagespflege gehen dürfen. Viruspandemie, Kontaktbeschränkungen – das sagt ihnen nichts. „Manche waren völlig aus der Spur“, erklärt der Demenzexperte. „Ein Mann hat nur noch geweint, eine Frau wollte ständig weglaufen, ein anderer Mann fing an einzustuhlen.“
Diesen alten Menschen geht es in der Corona-Krise besonders schlecht, und ihren Angehörigen auch. Deren zeitweise Entlastung durch die Tagespflege fällt weg. Rund um die Uhr versorgen sie Menschen, die verwirrt, traurig, unruhig, hilflos sind. „Es gab lange keine verlässlichen Informationen darüber, wann und wie die Tagespflegen wieder öffnen können“, kritisiert Peter Behmenburg. Er ist erleichtert, dass die Tagespflegegruppen in Mülheim ab dem 8. Juni wieder Gäste empfangen dürfen, wenn auch unter nachvollziehbaren Sicherheitsauflagen.
Zweites großes Problem waren die Besuchsverbote in den Krankenhäusern.
Peter Behmenburg schildert Vorkommnisse, bei denen alte Menschen mit Verdacht auf Corona ins Krankenhaus kamen. Ihre Familien durften sie nicht besuchen und hätten tagelang keine Auskunft vom Krankenhaus über den Befund erhalten. Eine Qual. Ein bislang topfitter Herr wurde in die Psychiatrie eingewiesen und musste von dort aus direkt in ein Seniorenheim umziehen, ohne dass seine Frau ihn sehen durfte.
Wer derart belastet ist, findet beim Angehörigentelefon der Dialog-Offensive Pflege UTA rund um die Uhr ein offenes Ohr, Angehörige von an Demenz Erkrankten tagsüber auch beim Telefon-Besuchsdienst der Alzheimergesellschaft. (Kontakte siehe unten.)
Peter Behmenburg hat für die Alzheimergesellschaft und als Leiter von Tagesgruppen, die ebenfalls ausfielen, selbst zahlreiche Telefonate mit überlasteten Angehörigen geführt. Sein Fazit: „Meistens geht es nicht darum, konkrete Probleme zu lösen, sondern darum, zu reden. Wut und Unsicherheit loszuwerden, bestärkt zu werden. So ein Gespräch kann auch eine Stunde dauern.“ Er erzählt von einer Dame, deren Mann kürzlich verstorben ist. Sie findet Gehör für ihren Kummer und ihre Trauer, am Ende des Telefonats geht es ihr besser.
Eine pflegende Angehörige kämpft sich durch den „Corona-Dschungel“ und ist unsicher, ob sie richtig vorgeht. Sie braucht ein Gegenüber, dass ihr ab und zu sagt „Sie machen das gut.“ Peter Behmenburg: „Es geht bei den Gesprächen um Unterstützung und Bestätigung.“ Ihn selbst belasten die vielen schlimmen Erlebnisse kaum. „Die Leute bedanken sich immer und sagen: Das hat mir gutgetan. Diese positiven Rückmeldungen zeigen mir, dass diese Telefonangebote Sinn machen.“
UTA ist an sieben Tagen in der Woche von 0 bis 24 Uhr unter der Telefonnummer 0800 3425641 zu erreichen sowie unter www.uta-mh.de. Die Anrufe sind kostenfrei, vertraulich und auf Wunsch anonym. Die geschulten und freundlichen Gesprächspartner bringen Zeit und Interesse mit.
Der Telefon-Besuchsdienst der Alzheimergesellschaft wird vom Regionalbüro für Alter, Pflege und Demenz koordiniert. Die Rufnummer lautet: 0203 2982016.