Am 12. Mai 2020 wurde der „Internationale Tag der Pflegenden“ begangen. Pflege ist während der Corona-Pandemie ein Riesenthema, und der Interessenverband „wir pflegen e.V.“ setzt sich mit voller Kraft für die Anliegen der pflegenden Angehörigen ein.
Am 11. Mai hat der Ausschuss für Gesundheit im Bundestag über den Entwurf der Bundesregierung für das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beraten. Christian Pälmke, Referent für Pflegepolitik des Bundesvereins „wir pflegen e.V.“, nahm daran teil und konnte Forderungen für pflegende Angehörige einbringen.
Die Dialog-Offensive Pflege (DOP) kooperiert eng mit „wir pflegen e.V.“ und hat Christian Pälmke zu seiner Stellungnahme im Gesundheitsausschuss interviewt. Er kann erfreut von ersten Erfolgen berichten.
DOP: Herr Pälmke, worum geht es in der aktuellen Stellungnahme von „wir pflegen“?
Christian Pälmke: Wir kritisieren, dass pflegende Angehörige in dem Gesetzesentwurf mit minimalen Maßnahmen abgespeist werden sollen. Zwar ist für Berufstätige ein zusätzliches Pflegeunterstützungsgeld von zehn Tagen angedacht und auch ein flexibler Einsatz des Entlastungsbetrags für pflegebedürftige Menschen im Pflegegrad 1. Doch beide Maßnahmen greifen viel zu kurz und sind weit entfernt von ganzheitlichen Lösungen.
DOP: Welche Maßnahmen fordert „wir pflegen“?
Pälmke: Wir brauchen ein Maßnahmenpaket mit Maßnahmen zur Entlastung, zum Infektionsschutz und zur finanziellen Unterstützung für die häusliche Pflege. Besonders wichtig ist uns ein freies Budget in Höhe des Tages- und Kurzzeitpflegesatzes, damit pflegende Angehörige Gelder da einsetzen können, wo es brennt. Und wir brauchen einen verlässlichen Lohnersatz für berufstätige pflegende Angehörige – mindestens in Anlehnung an die für Eltern geltenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz. Bisher können nur Eltern, die aufgrund der Schließung von Schulen oder Kitas die Betreuung ihrer Kinder nicht sicherstellen können, für sechs Wochen einen Lohnersatz erhalten. Die Situation für berufstätige pflegende Angehörige ist mit dem Wegbrechen der Tagespflege mindestens vergleichbar. Also müssen sie auch gleich berücksichtigt werden.
DOP: Wird Ihr Verein in Berlin mit diesen Forderungen gehört, bewegen Sie sich auf Augenhöhe mit den Politikern?
Pälmke: Ja, wir sind gut in Berlin angekommen. Natürlich sind Kontakte zu den Parteien im Bundestag und den zuständigen Ministerien sehr wichtig. Wir versuchen einfach die Stimmen der pflegenden Angehörigen dahin zu bringen, wo sie gehört werden müssen. Dabei sind Anhörungen im Gesundheitsausschuss wie derjenigen am 11. Mai sehr wichtig. Dort können wichtige Botschaften direkt an die für Gesundheits- und Pflegepolitik zuständigen Abgeordneten gerichtet werden.
DOP: Wieviel Zeit stand Ihnen im Ausschuss am 11. Mai zur Verfügung, um ihre Anliegen zu formulieren?
Pälmke: Die Redezeit richtet sich nach der Fraktionsgröße und ist knapp bemessen. Ich hatte drei Minuten für meine Botschaft, das ist sehr sportlich und man muss sich gut vorbereiten. Ich habe zuerst das Fazit gezogen, dass das Gesetz vorne und hinten nicht reicht, um die schwierige Lage für pflegende Angehörige zu verbessern. Gemäß der Fragestellung des Abgeordneten ging es dann primär um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
DOP: Wie haben die Ausschussmitglieder auf Ihre Forderungen reagiert?
Pälmke: So eine Sitzung läuft sehr formal ab, man hört zu, aber es gibt keine Ablehnung oder Applaus, sondern der nächste Tagesordnungspunkt folgt sofort.
DOP: Wie geht es nun weiter?
Pälmke: Aus den Medien haben wir erfahren, dass eine unserer Forderungen wohl aufgegriffen wurde. Für berufstätige pflegende Angehörige soll es anstelle von zehn Tagen nun 20 Tage lang Pflegeunterstützungsgeld geben. Das ist ein großer Teilerfolg und wir nehmen uns die Zeit, um uns mal kurz für und mit allen pflegenden Angehörigen zu freuen! Am 14. Mai entscheidet der Bundestag darüber und wir sind zuversichtlich. Aber wir wissen, dass noch sehr viel zu tun ist.
DOP: Das ist ein wichtiger Fortschritt, aber viele drängende Probleme der pflegenden Angehörigen bestehen weiterhin, massiv verstärkt durch die Corona-Krise. Wie gehen Sie damit um, dass der Handlungsbedarf so enorm ist und „wir pflegen“ nur Schritt für Schritt vorgehen kann?
Pälmke: Viele pflegende Angehörige sind gerade sehr verzweifelt, weil es an jeglicher Unterstützung fehlt. Auf der anderen Seite agiert die Politik viel zu langsam und jeder politische Erfolg ist mühsam erkämpft. Das würden wir uns anders wünschen. Aber wir lassen nicht locker und machen Druck! Am wichtigsten sind einfach die direkten Stimmen der pflegenden Angehörigen, ganz besonders auch in den Medien. Wir müssen gemeinsam der Öffentlichkeit weiter klarmachen, wie die Situation ausschaut und wo jetzt dringend anzupacken ist.
DOP: Danke für das Gespräch trotz ihrer knappen Zeit, Herr Pälmke. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Durchsetzen Ihrer weiteren Forderungen.
Das Interview führte Gudrun Heyder.
INFO: Die Stellungnahme von „wir pflegen e.V. enthält weitere wichtige Maßnahmen für pflegende Angehörige. Hier ist sie in Gänze zu lesen:
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