Pflegenotstand: Thema in „Hart aber fair“ – Zwischenergebnisse der Studie „Was pflegende Angehörige wirklich brauchen“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten Ihnen folgende Informationen zur Kenntnis geben:

  1. Frau Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko stellt erste Zwischenergebnisse der Uni Witten/Herdecke zur Studie „Was pflegende Angehörige wirklich brauchen“ vor. Die Befragung im Rahmen des Projektes „Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige“ (ZipA) ist abgeschlossen, derzeit werden die erhobenen Daten aufbereitet und analysiert. Hier finden Sie die ersten deskriptiven Auswertungen.

Bohnet-Joschko_Bidenko_2019_Was pflegende Angehörige wirklich brauchen_Erste Ergebnisse

Save the Date: Am 13. Dezember 2019 werden die Forschungsergebnisse im Rahmen einer Tagung in Witten vorgestellt.

2. Siegfried Räbiger (BIVA) hat sich an den WDR zur Sendung „Hart aber fair“ gewandt und dabei auch Bezug auf obige Studie genommen. Die Sendung am 3. Juni  2019 hat sich mit dem Thema „Was muss sich bei der Pflege ändern?“ befasst und damit, welchen Beitrag die Regierungsparteien hierzu leisten. Gleich drei Bundesminister*innen waren zu Gast: Franziska Giffey (Familienministerin), Jens Spahn (Gesundheitsminister) und Hubertus Heil (Arbeitsminister) stellten ihre Pläne für die Bekämpfung des Pflege-Notstands vor.

Hier der Link zur Sendung in der ARD-Mediathek:

http://mediathek.daserste.de/Hart-aber-fair/Beispiel-Pflege-Was-schafft-die-Groko-n/Video?bcastId=561146&documentId=63571644

Stellungnahme von Siegfried Räbiger (Mail an Redaktion Hart und fair) im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist ja schön, dass Minister eingeladen werden, doch mit der Verabschiedung des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) 1994 hat sich die Politik aus der Verantwortung gestohlen. Das Gesetz ist nach 12 Jahren Diskussion juristisch (handwerklich) exzellent gelungen. Es gilt „Privat vor Staat“.  Die Pflegekassen allein sind Herr des Verfahrens, regeln das Geschehen. Die Bundesregierung kann nur auf Kosten der Zwangsversicherten Verbesserungen auf Kosten der Versicherten einfordern.  Die Lobby der Wohlfahrtsverbände und Privatbetreiber nutzt die Not der Beschäftigten und Bewohner. Die Not der pflegenden Angehörigen und Bewohner wird nicht gesehen, nicht thematisiert oder gar bewusst ausgeblendet.

Die Versicherten haben kein Mitspracherecht, obwohl sie 100 % der Unterkunft und Verpflegung zahlen und bis zu. 50 % der reinen Pflegekosten. Es verhandeln die Kassen und Sozialhilfeträger mit den Leistungserbringern. Verhandlungseckpunkte werden unter Verschluss gehalten, Transparenz sieht anders aus.   Ein Verbraucherschutz findet nicht statt. Siehe § 118 SGB XI. Der beschworene Sozialstaatsgedanke findet objektiv nicht statt.

Die Pflegekassen verhandeln zu Lasten ihrer Versicherten und es werden die gewerblichen Anbieter der Wohlfahrtsverbände und die „Privaten“ wegen fehlender Alternativen gepflegt. Rückforderungen seitens der Pflegekassen und der Sozialbehörden werden nicht gestellt, geschweige eingetrieben.

Die Versprechen der Minister kommen allein den Betreibern zu Gute.

Die Gesamtausgaben der Pflegekassen kommen direkt als sogenannte Sachleistung zur Hälfte den 20 % professionellen Anbieter zu Gute.

80 Prozent aller anerkannten Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. 30 % davon können durch ambulante Dienste unterstützt werden.

Die gesetzlichen möglichen Entlastungen wie Tagespflege, Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege stehen selten, wenn überhaupt zur Verfügung. Die Versprechungen der Politik werden von den Betreibern gerne angenommen und in die Pflegesatzverhandlungen aufgenommen, wohlwissend, dass eine Umsetzung durch den Mangel der Arbeitskräfte nicht erfolgen kann. Eine Kontrolle oder gar Rückforderung entfällt; ist im SGB XI nicht vorgesehen.

Pflegenotstand besteht in der Häuslichkeit.

Studie:  Was pflegende Angehörige wirklich brauchen.

Die Befragung im Rahmen des Projektes „Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige“ (ZipA) ist abgeschlossen, derzeit werden die erhobenen Daten aufbereitet und analysiert.

Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko (Projektleitung)
Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Str. 50   
58448 Witten                           Bei Interesse wenden Sie sich bitte an katharina.bidenko@uni-wh.de.

Die ersten Aussagen sind:

  1. Belastungssituation

Ø Angehörige fühlen sich stark durch die Pflege belastet. Insgesamt 68% der Befragten berichten, dass sie durch die Angehörigenpflege stark bis sehr stark belastet sind.  Ø Die Gesundheit pflegender Angehöriger leidet.  Fast die Hälfte der Befragten leidet körperlich, mehr als 70% fühlen sich emotional stark bis sehr stark belastet.  Ø Einschränkung der beruflichen Möglichkeiten Auf der Suche nach einer (besseren) Arbeitsstelle fühlen sich 33% der Befragten eingeschränkt, mehr als 20% berichten von Verspätungen und Fehlzeiten aufgrund der Betreuungssituation. 

  1. Bedürfnisse und Inanspruchnahme von Angeboten

Ø Pflegende Angehörige haben auch eigene Bedürfnisse… Bis zu 80% der befragten pflegenden Angehörigen berichten einen (sehr) hohen Bedarf an Informationen und Beratung zum Erhalt der eigenen Gesundheit, der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, zur finanziellen Absicherung sowie zum Austausch und zu Möglichkeiten einer Auszeit von der Pflege. 

Wird es in der Sendung gelingen, ein Augenmerk auf die pflegenden Angehörigen zu werfen. Pflegende Angehörige/Bekannte/Freunde pflegen aus überkommener Nächstenliebe aus dem 19. Jahrhundert zu Gunsten professioneller Anbieter.

Weder die Kirchen noch die Parteien stehen offensiv für einen sozialen Staat ein. Wer fordert einen Verbraucherschutz medienwirksam ein. Es sind örtliche Gruppen und Vereinigung, die sich zur eigenen Unterstützung zusammengeschlossen haben. Was hilft eine Aufklärung, Beratung über gesetzliche Möglichkeiten, die nicht vorgehalten oder gar eingeklagt werden können.

Die Alten- und Seniorenarbeit ist in den Kommunen eine freiwillige Leistung und keine Pflichtaufgabe. Mit mehr Geld im System, wird der Notstand der Pflegebedürftigen nicht gelindert. Menschenwürde ist unteilbar, muss auch in der Häuslichkeit gewährleistet werden können. Die Pflegeversicherung muss insgesamt auf den Prüfstand; Reparaturen helfen nicht den Betroffenen.

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Räbiger & Uwe Wiemann

Aktiv altern in Oberhausen und ..

Gundlachstraße 7

46045 Oberhausen

 

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Jörg Marx

Stadt Mülheim an der Ruhr

Sozialamt

Team Planung, Steuerung und Controlling