Ort: Pflege zu Hause Behmenburg
Teilnehmende: Justus Behmenburg, Martin Behmenburg, Oskar Dierbach, Dirk Hempel, Gudrun Heyder, Jutta Krock, Saskia Kühle, Jörg Marx, Thomas van der Most, Dr. Damir Puac, Christel Schneider, verhindert: Benjamin Todt
Jörg Marx begrüßt die Anwesenden und stellt die Tagesordnung vor. Das Plenum soll reaktiviert und motiviert werden, um die anliegenden Aufgaben beherzt anzugehen.
TOP 1 – „Ökonomisierung in der Pflege“, Stand der Entwicklung in Mülheim
Jörg Marx fragt nach den Wahrnehmungen, welcher ökonomische Druck auf ambulanter und stationärer Pflege laste und welche Verantwortung die Pflegekassen tragen.
Die Einschätzung eines Teilnehmers: Früher seien die Fronten einfacher gewesen, die Gemeinschaft der Pflegenden habe den Kassen, später auch dem MDK geschlossen gegenüber gestanden und sich gefragt, wie sie ihre Anliegen dort vermitteln könnten. „Heute verlaufen die Fronten quer durch die (Pflege-)Unternehmen und -Konzerne.“ Das sei bedenklich und bremse Qualität aus. Durch die „totale Ökonomisierung“ und das beherrschende Leitmotiv Geld bleibe keine Kraft mehr für die eigentliche Aufgabe übrig, die dem Menschen zugewandte dienende Pflege. Das Weltbild „nur Dollars zählen“ übertrage sich auf die Mitarbeitenden. „Arbeitsverdichtung und Zeitdruck führen zu einer geistigen Wende.“ Die sozialpflegerischen Berufe – und somit auch die Dialog-Offensive Pflege – seien für eine Vorreiterrolle prädestiniert, um Auswege aus dieser Misere zu finden. Der Mensch gehöre unbedingt weiterhin in den Mittelpunkt.
Ambulante Pflegedienste müssen nicht nur eine schwarze Null, sondern Gewinne erwirtschaften. Ein Teilnehmer sieht eine Chance für die Pflege darin, dass sie einen materiellen Wert hat und nicht nur einen ideellen. „Es geht darum, für die Mitarbeiter und die Pflegebedürftigen das Beste herauszuholen.“ Dass eine ökonomische Einstellung zur Grundhaltung werde, zeige sich auch vermehrt im Verhalten pflegender Angehöriger.
Eine weitere Erkenntnis: Die Kostenträger haben aufgrund ihrer Machtposition einen wesentlichen Anteil an der Ökonomisierung der Pflege. Die Politik gibt etwa vor, dass Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt bei Bedarf häusliche Pflege erhalten, diese sollen die Pflegedienste jedoch (Zitat) „unterhalb des Mindestlohns“ erbringen. „Pflege muss profitabel sein und die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen.“ (§ 39.1a SGB V, Häusliche Krankenpflege, Grundpflege nach Krankenhausaufenthalt)
Die Pflege dürfe nicht länger nur reagieren und „durch jeden Reifen springen“, sondern müsse agieren. Die Dringlichkeit ist hoch – Patienten in Mülheim bekämen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus durchaus Absagen von 20 Pflegediensten.
Anderer Kritikpunkt: Pflegende Angehörige bekommen gemessen am Zeitaufwand zu wenig Geld von den Kostenträgern und zu wenig Anerkennung seitens der Politik.
Die Teilnehmenden sind sich einig darin, dass die zunehmende Ökonomisierung ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem darstellt. Aufgabe der Dialog-Offensive Pflege sei es, sich auf die Substanz zu beziehen, Menschen anzusprechen und Bündnispartner zu finden.
TOP 2 – Funktion und Ausrichtung des Plenums in der „Tiefe“ und „Breite“ – weitere Gewinnung von Interessierten
Das Plenum soll ein vertraulicher Kreis bleiben, für den weitere Interessierte durch persönliche Ansprache gewonnen werden. Wie früher soll es möglich sein, gegensätzliche Meinungen offen auszutauschen. Es braucht eine Balance zwischen Vertraulichkeit und hoher Transparenz (s.u.). Um Ärzte, Krankenhäuser und Kassen erneut ins Plenum zu bringen, muss dieses Betroffenheit schaffen. Die DOP soll weiterhin eine frei agierende Bürgerinitiative und kein weiteres „ritualisertes“ Gremium sein.
Fazit einer Diskussion über das Selbstverständnis der Teilnehmenden: Jeder ist im Plenum gleichermaßen als Privatperson, Mitglied bzw. Chef seines Unternehmens sowie ggf. seines Gremiums anwesend – jedoch nicht als dessen „Entsandter“, der den Interessen z.B. der AG der Pflegedienste oder der Stadt verpflichtet ist. Jeder kann sich offen in allen seinen Rollen äußern, wenn er klar benennt, für welche er gerade spricht. Etwaige Widersprüche zwischen privater Meinung und Interessen von Institutionen seien möglich und akzeptiert. Selbstverständnis des Plenums soll sein, eine vertrauensgeprägte Denkschmiede ohne Machtbefugnis zu verkörpern, die aus der Innenansicht von Pflegexperten heraus Lösungen entwickelt, die wiederum Institutionen und Entscheidungsträgern nahe gebracht werden.
Stichwort Transparenz: Öffentlichkeitsarbeit u.a. per Facebook und Website der DOP dient als Wirken in der „Breite“, die niemals Selbstzweck ist, sondern die Ziele, Aufgaben und Projekte der DOP bekannter machen soll, um neue Mitstreiter zu gewinnen.
TOP 3 – Ansprache „Pflegende Angehörige“ – Bericht zum Treffen in Telgte mit „Wir pflegen NRW e.V. “
(Anmerkung: Ein Bericht darüber steht bereits auf der Website der DOP und Facebook.)
Jörg Marx berichtet von dem erfolgreichen und motivierenden Treffen mit den Vorsitzenden Susanne Hallermann und Christian Pälmke. Etwas ernüchternd sei die Erkenntnis, dass pflegende Angehörige kaum Zeit für eine Selbsthilfegruppe hätten. Die DOP selbst werde keine SHG in Mülheim gründen, sondern unterstützen, falls es eine geben werde. Die Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung „Wir pflegen NRW e.V.“ ist vom Bundesministerium für Gesundheit mit der Umsetzung einer Onlineplattform für pflegende Angehörige beauftragt, diese ist in Arbeit. Mülheim kann hier zum „Pilotstandort“ werden. Pflegende Angehörige können sich von zuhause aus per Chat u.a. austauschen. Die DOP will ihre Kooperation mit „Wir pflegen NRW e.V.“ intensivieren.
TOP 4 – Sonstiges
Das wichtige Thema Kurzzeitpflege soll demnächst in einer erweiterten Plenumssitzung erörtert werden, zu der das Plenum einladen wird, um Erfahrungen und Haltungen dazu zu ermitteln. Daraus sollen sich Handlungsoptionen für die DOP ergeben. Plätze für Kurzzeitpflege sind Mangelware (nicht nur) in Mülheim; die Lage ist brisant.
„Telefonhotline“ für pflegende Angehörige: Pflege zu Hause Behmenburg will kostenlos eine doppelt besetzte telefonische 24-Stunden-Bereitschaft zur Verfügung stellen, die an die bestehende tel. Erreichbarkeit von PzH gekoppelt ist. Sie dient als Hilfe bzw. Sorgentelefon für pflegende Angehörige in Notlagen, die dort ein offenes Ohr und einen ersten fachlichen Rat finden. Die „Hotline“ soll unter dem Label der DOP und von „Wir pflegen NRW e.V.“ laufen. Sie versteht sich als später auszuwertendes Pilotprojekt. Dazu wird es ein Planungstreffen mit Martin Behmenburg, Jörg Marx und Susanne Hallermann geben.
Öffentliche Veranstaltung der Dialog-Offensive Pflege / erweitertes Plenum zum Thema Ökonomisierung
Auch die nächste Plenumssitzung wird erweitert. Das Plenum lädt dazu ein, um über das Thema Ökonomisierung in der Pflege zu diskutieren. Die Ergebnisse sollen in die kommunale Pflegekonferenz einfließen, die 2017 nicht getagt hat und nun bis Mai 2018 stattfinden soll. Eine öffentliche Veranstaltung im Medienhaus, zu der auch die Presse eingeladen wird, soll erst später stattfinden – um zunächst intern über die Problematik und die Konsequenzen der Ökonomisierung sprechen zu können. Die Lenkungsgruppe bereitet das in ihrer nächsten Sitzung vor, ggf. mit weiteren Interessenten aus dem Plenum.
- Der Austausch im Plenum war sehr intensiv, offen und konstruktiv, so dass Optimismus besteht bezüglich des Wiederauflebens der Plenumsarbeit auch mit weiteren Teilnehmenden.
Protokoll: Gudrun Heyder